Die Payroll ist systemrelevant.

Menschen wie wir.

Entgeltabrechnung? Das ist doch nun wirklich keine große Sache. Es gibt ein Brutto, davon ziehen die Softwareprogramme ein paar Steuern und Sozialversicherungsbeiträge ab und schon sind wir beim Netto. Ich frage mich, was ein Entgeltabrechner eigentlich den ganzen Monat macht.“

Diese und weitere Vorurteile halten sich hartnäckig in vielen Unternehmen. Doch wie sieht die Wirklichkeit in der Entgeltabrechnung aus?

Drückt der „Payroller“ nur auf Knöpfe?

Die Technik wird immer moderner, Maschinen können heutzutage alles viel schneller und korrekter als ein Mensch, sie haben keine Konzentrationsprobleme und arbeiten quasi Tag und Nacht. Hinzu kommt das Thema künstliche Intelligenz, kommen moderne neuronale Netze.

Überträgt man das auf den Beruf des/der Entgeltabrechner/in, so sind das gute Nachrichten: Schon bisher hatte dieser Berufsstand höchstens an ein bis zwei Tagen pro Monat etwas zu tun, wenn es darum ging, ein paar Knöpfe zu bedienen und die Maschine zu veranlassen, aus einem schönen Brutto ein meist mickerige Netto zu rechnen. Und nun wird dieser Berufsstand im Lichte all der genannten technischen Finessen quasi bezahlt arbeitslos?

Soviel zur Ansicht vieler Menschen in der Gesellschaft und insbesondere auch in den Unternehmen. Wir alle wissen: das ist falsch – die Aufgaben der Fachkraft für Entgeltabrechnung sind vielfältig.

EDV-Spezialist

Wer jemals ein System für Entgeltabrechnung näher betrachtet hat, der weiß genau um dessen Komplexität. Man muss folglich die „Knöpfe“ auch bedienen können, sich mit dem EDV-Programm auskennen und muss das Abrechnungssystem beherrschen – obwohl dieses eben nicht alle Arbeit abnimmt, sondern nur einen kleinen Teil. Hinzu kommen Updates, Erweiterungen und Neuausrichtungen des genutzten Systems.

Breites Wissen und Weiterbildung erforderlich

Die Bezeichung „Entgeltabrechner“ bzw. „Entgeltabrechnerin“ ist grob irreführend, denn das Entgelt wird eher nebenbei abgerechnet. Vielmehr geht es darum, die Voraussetzungen für eine korrekte Entgeltabrechnung zu schaffen und die sind komplex. Zahlreiche Gesetze, Verordnungen, Gerichtsurteile, Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen, individuelle vertragliche Vereinbarungen müssen nicht nur beachtet, sondern stetig mit Blick auf Veränderungen in die Praxis einbezogen werden.

Im Ergebnis müssen etliche umfangreiche und oftmals ausnehmend juristisch formulierte Texte erfasst, praktisch umgesetzt und im Bedarfsfalle auch verständlich erklärt werden – keine triviale Aufgabe. Zudem sind all diese Vorgaben zahlreichen und nahezu permanenten Änderungen unterworfen – für die Payroll ist eine permanente Weiterbildung folglich ein MUSS.

Ferner gilt es, die Hierarchie der Gesetze beachten, man denke alleine an die wachsende Zahl an Urteilen des Europäischen Gerichtshofes mit direkter Auswirkung auf die nationale Gesetzgebung. 

 

Der Vorschriftendschungel am Beispiel „Zuschläge für Arbeit“:

Eine der wichtigsten Regelungen ist die steuerliche Behandlung der Zuschläge für Arbeit an

Sonn- oder Feiertagen und in der Nacht (kurz SFN).

 

Allein der § 3b im Einkommensteuergesetz umfasst 229 Wörter.

Die dazugehörige Lohnsteuerrichtlinie umfasst 1.800 Wörter.

Und die Lohnsteuerhinweise umfassen 1.200 Wörter.

 

Dazu kommen noch unzählige Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) und Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH), die das Gesetz beschreiben

und kommentieren. Zusätzlich ist zu beachten, dass bei der Bezahlung von SFN-Zuschlägen

oftmals Tarifverträge umzusetzen sind, die von den Gesetzen abweichen können

 

 

 

Arbeitsfeld Beratung

Was ist, wenn Ergebnisse nicht verstanden werden? Wie erkläre ich Veränderungen im Netto etwa bei einer betrieblichen Altersvorsorge, einer Entgeltumwandlung oder bei einem geldwerten Vorteil wegen Dienstwagen? Wie erkläre ich veränderte Abzüge in Sozialversicherung und Steuer? Die Beratung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Unternehmens gehört zu den alltäglichen Aufgaben der Entgeltabrechnung – und der Erklärungsbedarf kann sehr groß sein.

Unsicherheiten ausmerzen, vorbeugen, auch das ist ein wichtiger Bestandteil. Die Entgeltabrechnung tut dies nicht nur den Beschäftigten gegenüber, sondern berät auch die Arbeitnehmervertretung und die Geschäftsführung. Weitere interne Partner der Payroll sind die Finanzbuchhaltung und das Controlling.

Unterstützung der Geschäftsführung

Die Geschäftsführung trifft wichtige unternehmerische Entscheidungen mithilfe wichtiger Zahlen aus der Payroll – alleine die Höhe der Personalkosten steht hier häufig im Fokus. Die Entgeltabrechnung fertigt zu diesen Zwecken Personalkosten-Hochrechnungen, bildet Szenarien bei geplanten Einstellungen ab und liefert viele weitere Zahlen und Reports.

Prügelknabe des Gesetzgebers

Der Entgeltabrechnung muss umsetzen, was der Gesetzgeber vorgibt. Das ist nicht immer leicht, Entscheidungen der hohen Politik können den Entgeltempfänger auch bares Geld kosten und dieser wendet sich dann natürlich an seine Fachabteilung im Unternehmen. Unverständnis und sogar Wut richten sich daher immer wieder auch gegen den Sachbearbeiter in der Entgeltabrechnung, stellvertretend für den Gesetzgeber.

Geheimnisträger

Die Payroll im Unternehmen weiß, was die einzelnen Mitarbeiter verdienen, sie hat einen Überblick über die Entwicklung der Gehälter und dürfte sich auch in manchen Fällen Gedanken machen, warum etwa ein Geschäftsführer 80 Mal so viel verdient wie ein Angestellter, warum Abteilungsleiterin B weniger verdient als Abteilungsleiter A. Doch ist die Fachabteilung auf absolutes Schweigen verpflichtet. Mitarbeiter der Payroll sind Geheimnisträger und unterliegen einer besonderen Verpflichtung gemäß EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Sie müssen zur Verschwiegenheit verpflichtet werden.

Haftung und Betriebsprüfung

Werden Beiträge zu Sozialversicherung (SV) oder wird die Lohnsteuer falsch abgeführt, werden SV- und weitere Meldungen fehlerhaft erstellt, werden weitere Berechnungsfehler gemacht oder wird die DSGVO missachtet, so haftet der Arbeitgeber mit teilweise immensen Summen.

Die Betriebsprüfung bringt diese Dinge ans Licht – und auch deren sachkundige Vorbereitung und Durchführung liegt im Verantwortungsbereich der Entgeltabrechnung. Es geht hierbei um viel Geld – alleine die Betriebsprüfer der gesetzlichen Rentenversicherung fordern Jahr für Jahr hohe dreistellige Millionenbeträge von den Betrieben zurück.

Betriebsfrieden

Alles ist gut, solange es ruhig ist – und die Payroll reibungslos arbeitet. Kommt es jedoch zu nicht termingerechten oder falschen Zahlungen, droht die Rebellion – und Imageschaden nach außen. Hier hat die Fachabteilung für Entgeltabrechnung ebenfalls eine ausnehmend wichtige Funktion, denn auch sie ist ein Garant für den Betriebsfrieden.

Ein Turm in der Krise

Wie erwähnt wissen auch in den Betrieben oftmals nur wenige, wie komplex das Feld der Entgeltabrechnung ist. In den aktuellen Zeiten der Krise wird es deutlicher: Kurzarbeit spielt plötzlich überall eine Rolle und die Entgeltabrechnung ist mittendrin: zu den ohnehin bereits unzähligen Gesetzen, Verordnungen, tariflichen Regelungen, Betriebsvereinbarungen gesellen sich nun immer neue Fragen rund um KUG und das Infektionsschutzgesetz. Da sind profunde Kenntnisse gefragt, ebenso wie gute Nerven – manche Überstunde inklusive.

Fazit

Ob als Abrechner, Berater, Geheimnisträger, interner Berichterstatter, ausführendes Organ des Gesetzgebers oder Bewahrer des Betriebsfriedens – die Fachkraft für Entgeltabrechnung hat viele Funktionen.

Die Payroll sorgt dafür, dass die Beschäftigten termingerecht das korrekte Entgelt auf dem Konto haben. Sie sorgt ferner dafür, dass Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in den richtigen Töpfen landen und diese Systeme im Sinne und zum Nutzen aller funktionieren.

Ohne eine perfekt funktionierende Payroll, ohne all die engagierten Fachkräfte in diesem komplizierten Bereich gäbe es in vielen Unternehmen binnen kürzester Zeit schwere Verwerfungen mit den Beschäftigten. Und – mehr noch; unser Steuer- und Sozialversicherungssystem würde nicht mehr richtig funktionieren.

Fachkräfte für Entgeltabrechnung üben eine systemrelevante Tätigkeit aus, auf die sie stolz sein können. Die „Abrechner“ dieses Landes verdienen in vielfältiger Weise mehr Anerkennung – nicht nur in diesen Tagen.

Die Entgeltabrechnung ist systemrelevant – nicht erst seit Corona!

Markus Matt